(Kleine) Füße unter meinem Tisch

 

"Solange Du Deine Füße unter meinem Tisch hast, bist Du sicher und geborgen!"

Das wünsche ich meinen und allen anderen Kindern dieser Erde.

Selbstverständlich auch noch über die Situation am Tisch hinaus. 
Das Sitzen am Esstisch steht hier nur sinnbildlich für all die familiären Alltagsstrukturen, in denen kommuniziert und sich auseinandergesetzt wird.


Denn der altbekannte Spruch „Solange du deine Füße unter meinem Tisch hast, machst du das, was ich dir sage!“ stand (oder steht immer noch, solange er immer noch vereinzelt in Haushalten fällt) eindeutig für die Unterdrückung von Kindern innerhalb der Familie!

 

Das ist nichts, was wir in unserem Zeitalter noch leben oder tolerieren sollten.

Partizipation, also die Mitbestimmung und Entscheidungskraft von Kindern, ist sogar in den Bildungsleitlinien für pädagogische Fachkräfte festgeschrieben. In der kleinsten, gesellschaftlichen Einheit - der Familie - wünsche ich es mir deshalb genauso.


Teilhabe ist ein Bedürfnis von Kindern, von Menschen!

 

Mit zu bestimmen ist ein gutes Recht von Kindern, nicht einfach bloß eine Möglichkeit oder eine pädagogische Maßnahme. Kinder gleichwertig mit einzubeziehen ist keine konkrete Anleitung, sondern eine wertebasierte Haltung.


Bei den ganz Kleinen dreht sich die große weite Welt vorrangig um die Alltagsgestaltung.

Das ist am spannendsten, da es am meisten Präsenz im Alltag Deines Kindes hat. Baue also Entscheidungsmöglichkeiten bei immer wiederkehrenden Abläufen ein, beim: 
- Essen/Geschirr/Besteck
- Trinken und Trinkgefäß
- Wickeln/Toilettengang (Ort und Zeitpunkt)
- Anziehen/Umziehen (Kleiderwahl)


Du merkst schon, ich könnte ewig so weiter machen, einen stinknormalen Tag eines kleinen Kindes aufzuzählen. Nimm dir Zeit, Ruhe und Geduld und schau, welche Zeitpunkte, bei welchen alltäglichen Grundversorgungen ihr gemeinsam als Eltern-Kind-Team entscheiden könnt.

Hast du die Haltung verinnerlicht, dass Dein Kind oft eine echte (!) Wahl bei für dich eher unwichtigen Dingen hat, so schmälert es das Risiko, dass Dein Kind in z.B. gefährlichen Situationen nicht kooperiert, denn es füllt seinen Tank an SELBSTWIRKSAMKEIT den ganzen Tag über auf.

 

„Nicht in diesem Ton, mein liebes Fräulein!“

 

Kinder tragen ihr Herz auf der Zunge. So oft im Alltag sprechen aus ihrem tiefsten Inneren zu uns. Das klingt dann nicht immer so zauberhaft, wie es sich hier liest und dennoch ist es eine Stärke! Denn es ist eine Eigenschaft, die uns Erwachsenen auf den vielen Wegen unseres Lebens mehr und mehr abhandengekommen ist. Kinder treten demnach ziemlich temperamentvoll, oft laut und voller Gefühl für ihre Belange ein.


Auf Eltern und andere Erwachsene wirkt diese von Emotion geprägte Kommunikation zumeist unverschämt und frech. Wir fühlen uns dann sehr schnell angegriffen, nicht geachtet oder respektlos behandelt. Innerlich brodelnd stoßen wir wütend hervor:
„SO redest du nicht mit MIR!“
„Nicht in diesem Ton, junger Mann!“
 
Leider vergessen wir in unserem Ärgernis oft ein paar {entwicklungs}psychologische Tatsachen:


- Das Verhalten des Kindes, also die vermeintlich unverschämte Tonlage, ist nicht „Schuld“ an unserer Empörung!

Das Kind ist niemals die Ursache für unsere Wut. Das kindliche Verhalten ist allenfalls der Auslöser für unser Empfinden, dass wir in diesem Moment nicht wertschätzend und respektvoll behandelt werden. Die Gründe für unsere innerliche Verletzung liegt viel mehr in uns selbst.


- {Klein}Kinder und auch Jugendliche in der Pubertät sind auf sozial-emotionaler Ebene mit einer stetigen {Weiter}Entwicklung beschäftigt.

Das gesamte Nervensystem hat die große Aufgabe, sich in den immer wiederkehrenden Wellen aus starken Gefühlen und intensiven Emotionen zurecht zu finden. Ein temperamentvoller Ausspruch oder eine vermeintlich unverschämte Forderung im „falschen Ton“ ist demnach für uns zwar oft unangenehm - für das Kind aber oft die einzige Möglichkeit, sich überhaupt mitzuteilen, weil es innerlich so stark damit beschäftigt ist, sich mit „sich selbst“ zu arrangieren und auseinander zu setzen.


-
Dem Kind in solchen Momenten mit wütender Zurechtweisung, aufgebrachter Unverständnis oder gar Ignoranz zu begegnen wäre demnach ebenso unreif, wie das, was das Kind gerade gezeigt hat.

 

Sinnvoller könnten deshalb folgende, ruhige und besonnene Sätze sein wie:

- „Du möchtest gerne noch ein Glas Milch? Das wolltest Du sagen, stimmt´s?“

- „Dir ist es jetzt gerade super wichtig, dass ich Dich auf die Toilette begleite, oder?“

- „Ich habe gehört, dass du sehr dringend Hilfe brauchst.“

- „Ich bin gerne für Dich da!“